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 ![[Photo of the Author]](../../common/images/RalfWieland.jpg)  von Ralf Wieland <rwieland-at-zalf.de> Über den Autor: Ich beschäftige mich mit Umweltsimulation, neuronalen Netzen und Fuzzy-Systemen, indem ich sie programmiere. Letzteres vollzieht sich immer unter Linux (seit 0.99pl12). Weiterhin bin ich an Elektronik und Hardware interessiert und versuche, das mit Linux zu verbinden. Inhalt: | 
| Demographie mal zum Anfassen![[Illustration]](../../common/images/article275/logo.gif)  Zusammenfassung: 
Der Beitrag beschäftigt sich mit Fragen: "Wie wird die
Bevölkerungsstruktur in 50 oder 100 Jahren aussehen?", wenn sie sich so
weiterentwickelt wie bisher. Dazu wird ein kleines Programm unter QT
vorgestellt, mit dem man selbst experimentieren kann. Es soll zu
eigenen Erweiterungen anregen und vielleicht findet sich der eine oder
andere, der es für sich nutzbringend anwenden und erweitern kann.
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	  Immer wieder streiten Politiker um den Zuzug und die Integration
	  von Ausländern. Firmen richten ihre Produktprofile nach
	  der demographischen Entwicklung aus. Vor kurzem las ich, dass
	  in Deutschland die Autokäufer zukünftig in der Mehrzahl
	  Rentner sein werden. Das Gesundheitssystem, das Rentensystem
	  etc. all das hängt von der demographischen Entwicklung ab. 
	  Wissenschaftler beschäftigen sich mit diesem Problem.
	  Es werden tiefgreifende Arbeiten zu diesem
	  Gebiet veröffentlicht, trotzdem ist in weiten Kreisen der
	  Bevölkerung wenig über die dahinterliegenden Prozesse
	  bekannt. Hier soll es weniger um Politik oder
	  wissenschaftliche Exaktheit, als vielmehr um ein paar eigene
	  Experimente gehen. Man sollte mal gewissermaßen spielerisch
	  selbst schauen können, wie denn die Bevölkerungstruktur in
	  50 oder 100 Jahren aussehen könnte. Was passiert, wenn
	  Leute abwandern, was passiert, wenn welche dazukommen? Dazu
	  wurde ein kleines QT-Programm zum Experimentieren entwickelt.
	  
	  Sicher hat sich jeder mal gefragt, woher eigentlich die in
	  den Zeitungen abgebildeten Bevölkerungspyramiden, die
	  z.B. die Bevölkerungsstruktur in 50 Jahren zeigen,
	  stammen. Woher kann man so etwas wissen? 
	  Denkt man eine Weile über so ein Bild nach, so stellt man
	  fest, dass das Ganze davon abhängt, wieviele Kinder geboren
	  werden, wieviele Menschen sterben und ob Menschen in das
	  betrachtete Gebiet einwandern oder aus dem Gebiet
	  wegziehen. Letzteres bezeichnet man als Migration, die sich
	  in Immigration (Leute, die einwandern) und Emigration (Leute,
	  die auswandern) teilt. 
	  Beginnen wir mit dem ersten, was man wissen muss, um so ein
	  Modell zu konstruieren, der Geburtenrate. Jedes Jahr wird
	  eine Anzahl an Kindern neu geboren. Die Geburtenrate ist die
	  mittlere Zahl der Kinder, die eine Frau in ihrem Leben
	  bekommt. Sie ist von Land zu Land
	  unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab. In
	  Deutschland beträgt sie ca. 1.3 Kinder/Frau. Manche
	  Länder sind kinderfreundlicher als andere, in wieder anderen
	  Ländern bilden die Kinder eine Art Altersversicherung.
	  Die Geburtenrate  hängt von kulturellen, wirtschaftlichen
	  Faktoren, dem Bildungsstand, Traditionen etc. ab.
	  Für uns ist die Geburtenrate eine Eingangsgrösse in das
	  Programm, die zwischen 0..10 Kinder/Frau eingstellt werden
	  kann. Damit sind wir in der Lage, die Geburtenrate den
	  jeweiligen Verhältnissen anzupassen. Die Anzahl der
	  geborenen Kinder hängt aber nicht nur von der Geburtenrate,
	  sondern auch von der Anzahl der Frauen im gebährfähigen
	  Alter ab. Im Modell wird die Zahl der Frauen im
	  gebährfähigen Alter (15..45 Jahre) einfach addiert und mit
	  der Geburtenrate multipliziert. Um auf die Anzahl der Kinder
	  pro Jahr zu kommen, ist die obige Zahl noch durch 45-15=30 Jahre zu
	  dividieren. Das ergibt sich einfach daraus, dass eine Frau
	  ja durchschnittlich in ihrem Leben die Geburtenrate an
	  Kindern bekommt. Manch einer wird sich vielleicht fragen, ob
	  die Geburtenrate wirklich stimmt, da ja eine spezielle Frau vielleicht
	  7 Kinder hat, eine andere aber keins. Das ist eine Sache der
	  Statistik und kann in der Literatur nachgelesen werden. Für
	  uns geht es aber weniger um eine exakte Statistik, als
	  vielmehr um die Möglichkeit des Experimentierens. So u.a.
	  auch um die Frage, was würde passieren z.B. wenn es in
	  Deutschland schick würde, mehr als drei Kinder zu haben?
	  Wäre doch mal interessant?
	  
Wo Kinder geboren werden, sterben auch Menschen. Das ist ein natürlicher Prozess. Ähnlich wie die Geburtenrate wirkt die Sterberate, diesmal bezieht sie sich aber auf alle Bevölkerungsmitglieder, nicht nur die Frauen. (Bei der Geburtenrate spielen Männer natürlich auch eine Rolle, aber die soll hier vernachlässigt werden ;-) . Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die Sterberate abhängig vom Alter eines Menschen. So sterben alte Leute statistisch gesehen häufiger als junge. In Deutschland gibt es eine offizielle Sterbetafel, nach der z.B. die Versicherungen ihre Lebensversicherungsprämien berechnen. Diese wurde dem Programm zu Grunde gelegt. Für andere Länder ist das anzupassen. In modernen Industrieländern sollte die Rate übrigens nur vom Alter und nicht noch zusätzlich vom sozialen Stand abhängen. Wie mir ein Freund aus Mexiko erklärte, gilt das aber nicht generell. Im Programm wird von einer einheitlichen Sterberate ausgegangen, die nur vom Alter abhängt. Möchte man also auch die soziale Struktur mit berücksichtigen, so ist das Programm zu erweitern. Vielleicht hat jemand Lust?
	  Als letzter Prozess soll die Migration betrachtet
	  werden. Sicher spielten Migrationsprozesse schon immer eine
	  wichtige Rolle. So wanderte die Landbevölkerung in den
	  vergangenen Jahrhunderten in die Städte ab. Das war auch nicht
	  weiter problematisch, da durch die hohe Kinderzahl dieser
	  Verlust ausgeglichen werden konnte. Heute spielen sich
	  Migrationsprozesse auf einer anderen Ebene ab. Trotzdem
	  spielt die Abwanderung der Landbevölkerung auch heute noch
	  in Deutschland eine wichtige Rolle, die dazu führen
	  wird, dass manche Regionen vereinsamen werden. Das Ganze
	  ist ein autokatalytischer Prozess, der sich durch
	  zusammenbrechende soziale und kulturelle Leistungen noch
	  verstärkt. Es lohnen sich halt keine Kindereinrichtungen,
	  wenn es nur noch wenige Kinder gibt. Wo es aber keine
	  Kindereinrichtungen gibt, zieht auch niemand gern
	  hin. Gleiches gilt für kulturelle Einrichtungen. Ohne zu
	  sehr ins Detail zu gehen, sollte klar sein,
	  dass Migrationsprozesse vielfältige Ursachen haben. Wichtig
	  im Zusammenhang mit dem vorgestellten Programm ist, dass in
	  der Regel die Alterstruktur der Menschen, die eine Region
	  verlassen eine andere ist, als die Menschen, die in die
	  Region kommen. Um dieses programmtechnisch abzubilden, stehen
	  im Quellcode "./demogra/demogra1.cpp" ein Feld "Verteilung"
	  zur Verfügung, das an die eigenen Gegebenheiten angepasst
	  werden kann. Für erste Experimente sollte das aber nicht
	  notwendig sein. 
 Als Eingabe gibt es die Felder Emigration
	  und Immigration, die absolute Werte erwarten. Wenn also im
	  Jahr 10000 Personen in die Region kommen, so sind im Feld
	  Immigration 10000 einzutragen.
	  
Last but not least werden wir alle jedes Jahr ein Jahr älter. Deshalb wird in der Jahresschleife jemand, der vorher z.B. 40 Jahre alt war, dann eben 41 Jahre alt sein. Das Eingabefeld "Step" ermöglicht gleich mehrere Jahrschritte auf einmal auszuführen. Man kann also z.B. gleich in 10 Jahresschritten simulieren.
	  Hier kommt erst mal ein Blick auf die Programmoberfläche:
	  
	  
 
	  
	  Auf der linken Seite sind die oben beschriebenen
	  Eingabefelder	untergebracht. Nach jedem Schritt erfolgt eine
	  Summation über alle Frauen und Männer, die im entsprechenden
	  Feld auf der linken Seiten ausgegeben werden. Diese Felder
	  dienen somit nur der Ausgabe. Ebenfalls dient der gesamte
	  Graphikbereich nur der Visualisierung. Die Buttons im
	  linken unteren Teil dienen der Steuerung der Simulation. Mit
	  dem Button "Step" wird ein Simulationsschritt
	  ausgeführt. "Reset" ermöglicht das Rücksetzen auf den
	  Ausgangszustand. Ein Abspeichern des aktuellen Zustandes in
	  eine Datei "simulation.dat" ist vorgesehen. In dieser Datei
	  befinden sich das Alter und dazu entsprechend die Anzahl der
	  männlichen und weiblichen Personen. Diese Datei kann dann
	  einer gesonderten Auswertung unterzogen werden. Die Buttons
	  "Help" und "Quit" erklären sich wohl selbst. 
	  Auf dem graphischen Ausgabefeld befinden sich im unteren
	  Teil jeweils die maximale Zahl, der in allen Altersstufen
	  befindlichen weiblichen bzw. männlichen Personen als
	  Orientierungshilfe. Zu beachten ist, dass die Größe der
	  Balken sich an dieser maximalen Größe ausrichtet. Das ist
	  vielleicht nicht die beste Lösung, aber mir fiel nichts
	  besseres ein. Hat jemand ein gute Idee? 
	  Ansonsten sollte die Simulation weitgehend selbsterklärend
	  sein. Bei ungünstigen Eingaben, z.B. wenn die Zahl der
	  Emigranten zu groß gewählt wurde, entstehen Löcher in der
	  Alterspyramide. Ein solches Ergebnis ist in der Praxis nicht
	  zu erwarten, es sollte also die Eingabe korrigiert
	  werden. Vielleicht gibt es solche patologische Zustände,
	  eventuell durch AIDS, wirklich? Es könnte ja sein, dass eine
	  Altersgruppe stark dezimiert wird und der Rest durch
	  Auswanderung eine gesamte Region veröden läßt? 
	  
	  Das Programm unterliegt der GPL. Bezüglich QT ist die
	  entsprechende Lizenz von Trolltech bindend. Die Installation
	  ist denkbar einfach.  Zuerst muss man das Demographiemodell
herunterladen (siehe Referenzen).
    Das File "demographie-0.2.tar.gz" wird wie
	  üblich mit: tar -zxvf demographie-0.2.tar.gz entpackt. Im neu
	  entstandenen Verzeichnis kann mit make bzw. einem vorherigen
	  qmake die Übersetzung gestartet werden. Voraussetzung neben
	  QT3 ist natürlich der gcc. Das Programm wurde erfolgreich
	  unter SuSE 8.0 und SuSE 8.1 getestet, sollte aber auch unter
	  anderen Distributionen laufen. 
	  Gestartet wird es einfach durch den Aufruf auf der
	  Kommandozeile: "./demographie". Wichtig ist nur, dass sich
	  die Datei "demo.csv" mit im Verzeichnis befindet. In dieser
	  Datei sind die Jahreszahlen, die weiblichen, männlichen
	  Personen und die weiblichen und männlichen Sterberaten
	  jeweils als kommagetrennte Werte gespeichert. Hier kann auch
	  eine Anpassung auf ein anderes Gebiet erfolgen. Im Beispiel
	  wurden die Daten von Deutschland aus einer Zeitung
	  entnommen. Sie sind damit nicht unbedingt genau, aber dass
	  soll für unseren Zweck des Experimentierens nicht die
	  entscheidende Rolle spielen.
	  
	  Das Programm entstand als Teil eines regionalen
	  Simulationssystems. Mit diesem System sollten u.a. solche
	  Fragen geklärt werden, wie wird sich in einer geographisch
	  klar abgegrenzten Region (der ländliche Raum nördlich
	  Berlins) die Bevölkerung entwickeln. Dazu wurde vor allem
	  der Zuzug von jungen Familien in die berlinnahen Gebiete und
	  der Wegzug junger Menschen in die westlichen Bundesländer
	  Deutschlands untersucht. Damit ergeben sich regional ganz
	  unterschiedliche Entwicklungen. Es gibt Gebiete, die an
	  Bevölkerung zunehmen und andere Gebiete nehmen ab. Manche
	  Gebiete, vor allem die weit entfernten, werden immer
	  menschenleerer. Hier wirkt der oben erwähnte autokatalytische
	  Prozess. 
	  Man muss aber mit solchen Prognosen auch vorsichtig sein, da
	  hier bei weitem nicht alle Daten, die für so einen Prozess
	  wichtig sind, Berücksichtigung fanden. So kann
	  beispielsweise durch Telearbeitsplätze die Entfernung zu
	  Berlin zunehmend an Bedeutung verlieren. Auch können
	  Förderungsprogramme zur Ansiedlung von Industrie plötzlich
	  ein ganz anderes Umfeld schaffen. Die Modelle sind nur ein
	  Fortschreibung des jetzigen Zustandes und dienen nur der
	  Orientierung. 
	  Bei der Übertragung in andere Regionen der Welt wirken ganz
	  andere Prozesse, die es zu untersuchen gilt. Es wäre
	  interessant, diese Art von Modellen auch einmal für andere
	  Gebiete, wie z.B. ländliche Regionen in Mexiko
	  anzuwenden. Hier sind noch viele Ideen gefragt. Vielleicht
	  hat jemand Lust und möchte sich mit diesen Fragen noch
	  genauer beschäftigen oder auch das Programm für andere
	  Regionen adaptieren? Ich würde mich über eine Rückmeldung
	  freuen.
	  
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Linux Community bedanken, die ein solch phantastisches System entwickelte. Der Firma Troll Tech gilt mein Dank für das wunderbare QT und seine Verfügbarmachung unter Linux. Natürlich gilt mein spezieller Dank der FSF für die vielen Tools, allem voran der gcc, ohne dem diese Arbeit nicht möglich gewesen wären.
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| Der LinuxFocus Redaktion schreiben © Ralf Wieland, FDL LinuxFocus.org | Autoren und Übersetzer: 
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